Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung 21. Nov. 2017
Nazareth wirkte inspirierend
Pianistin Carola S. Colani gab Solokonzert in der Grundschulaula Hilpoltstein.
Die Berufsmusikerin, die heute in Schrobenhausen lebt, stammt aus Hilpoltstein und ist eine geborene Wechsler. Der legendäre Post-Michl war ihr Onkel. Ihr Vater und der Postmichl waren Brüder. Schon im Alter von sechs Jahren faszinierte sie die Musik und sie begann damit, sich Klavierstücke auf autodidaktischem Weg über das Gehör anzueignen. Mit neun Jahren erhielt sie den von ihr sehnsüchtig herbeigewünschten Unterricht.
Mit 13 Jahren zog Carola Colani mit ihren Eltern nach Hilpoltstein, besuchte dort die Realschule und machte die mittlere Reife. Anschließend studierte sie in Nürnberg am Konservatorium für Musik und schloss ihr Studium mit den Studiengängen „Fachlehrer für Musik“, „Privatmusiklehrer“ und der „Künstlerischen Reife“ ab. Sie ist staatlich geprüfte Musiklehrerin mit „Konzertreife“ im Fach Klavier und Privatlehrerin für Musik. Heute ist sie freiberuflich tätig als Klavierlehrerin und an Musikschulen.
In den 1970er Jahren zog die Pianistin nach Nürnberg. 1978 heiratete sie und zog nach Schrobenhausen, wo sie heute lebt. Der Grund, warum sie 2017 zu einem Konzert in ihre Heimatstadt Hilpoltstein zurückkehrte, liegt in einem Klassentreffen, das im September des vergangenen Jahres stattfand. Man bat sie, sie solle doch auch mal in Hilpoltstein spielen, und sie ließ sich überreden.
Neben ihrer Tätigkeit als Klavierlehrerin spielt Colani Solokonzerte. Sie konzertierte vierhändig zusammen mit dem Nürnberger Pianisten Ernst Gröschel, wirkte als Gast bei verschiedenen musikalischen Events mit, gestaltet die musikalische Umrahmung für Ausstellungen und private Feiern und gibt Hauskonzerte. Seit einigen Jahren begeistert sich Colani für die Musik der Ragtime Ära, des Novelty-Pianos sowie für die Klassik Brasiliens und Kubas. Ernesto Nazareth nimmt hierbei einen besonderen Platz für sie ein. Warum sie der lateinamerikanischen Klassik des Ernesto Nazareth, den Kritiker „den brasilianischen Chopin“ nennen, verschrieben hat, erklärt Carola S. Colani so: „2011 war ich auf einem Ragtime-Trip. Über Youtube stieß ich auf die Musik von Ernesto Nazareth und der Virus hat mich gepackt.“ Hommage So war das Programm des Klavierabends eine Hommage an das Werk des außergewöhnlichen Komponisten Ernesto Nazareth. Nazareth schuf mehr als 200 Kompositionen, darunter 90 Tangos, 42 Walzer, 29 Märsche sowie Schottisch, Romanzen und viele andere Genres – fast alle für das Klavier. Am bekanntesten wurden seine brasilianischen Tangos. Diese sind nicht zu vergleichen mit den argentinischen Tangos, denn obwohl beide Haberana-Einflüsse haben, charakterisieren den brasilianischen Tango starke afrikanische Einflüsse, bedingt durch die Lundu-Rhythmen, die mit den Sklaven nach Brasilien kamen.
Die Entwicklung der brasilianischen Musik ist eng mit der Kolonialisierung des Landes durch die Portugiesen um das Jahr 1500 verknüpft. Die musikalischen Wurzeln setzen sich daher zusammen aus den Traditionen der europäischen Musik und aus den afrikanischen Musiktraditionen der nach Brasilien verschleppten Sklaven. Dem brasilianischen Tango hatte die Pianistin gleich sieben Stücke gewidmet: „Escorregando“ („rutschend“), „Proeminente“ („prominent“), „Encantador“ („charmant“), „Favorito“ („Favorit“), „O que Ha?“ („Was ist los?“), „Travesso“ („frech“) und „Furinga“ („Fuhrmann“). Mit großer Präzision demonstrierte Carola S. Colani ihr Können und zeigte, dass sie eine großartige Pianistin ist. Elegant interpretierte sie die rasanten, äußerst schwungvollen und mitreißenden Melodien und zauberte einen atemberaubenden Reigen an fröhlichen Tonfolgen. Ganz anders die verträumten Klänge der „Noturno“ (Nocturne), die Ernesto Nazareth als Romantiker zeigten. Das waren weiche, perlendeKlänge, die den Zuhörer in eine Welt der Harmonie und des Wohlklangs entführten. Da war auch viel Raum für Nachdenklichkeit und Zurückhaltung gegeben.
Dann eine Romanze, die der Komponist mit „Extase“ (Ekstase) überschrieben hat. Dieser Titel erschien etwas irreführend, denn es handelte sich eher um eine gefühlvolles, zurückhaltendes Stück mit lieblichem Charakter. Das Publikum lauschte andächtig auch bei der Konzert-Etüde „Improviso“ („Improvisation“), eine Komposition mit gefälligen Harmonien, Trillern und reinen Tonleiterpassagen. Ein erlesenes Stück war auch der Walzer „Fantastica“ („Valsa brilhante moderna“), ein kunstvoll arrangiertes Stück mit schnellem Tempowechsel. Eine äußerst vielschichtige und anspruchsvolle Komposition war das Stück „Capricho“ („Laune“) mit kunstvollen Koloraturen und flirrendem Klang. Geradezu hymnisch mutete dagegen der Titel „Celestial“ („himmlisch“) an, während der „Marcha funebre“ („Trauermarsch“) düster-melancholisch, doch auch zartoptimistisch klang und ganz leise endete. Leicht undbeschwingt die Polka „Cacadora“ („Jägerin“) und der Walzer „Coracao que sente“ („Herr, ist das schön!“). Herr, war das schön! Den Liedtitel kann man getrost als Motto dieses außergewöhnlichen Konzertabends hernehmen. Carola S. Colani hat den tristen Novemberabend heller gemacht.